Zehntausende Menschen versammelten sich am Samstag auf den Straßen der ungarischen Hauptstadt und forderten den Rücktritt von Ministerpräsident Viktor Orbán. Die Demonstration folgte auf Enthüllungen über Misshandlungen in einer Haftanstalt für Minderjährige – ein Fall, der die Kritik an der staatlichen Aufsicht über öffentliche Einrichtungen neu entfacht hat.
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Der Protest, über den Digi24.ro unter Berufung auf AFP, Reuters und Agerpres berichtete, zählt zu den größten Oppositionskundgebungen der vergangenen Monate.
Ein Skandal entfaltet sich
Im Zentrum der Kontroverse steht eine Haftanstalt für Minderjährige, die von den Behörden als Einrichtung für jugendliche Straftäter beschrieben wird.
Ein in dieser Woche von einem ehemaligen Oppositionsabgeordneten veröffentlichtes Video lenkte erneut Aufmerksamkeit auf Missstände, die mehrere Jahre zurückreichen.
Als Reaktion stellte die Regierung fünf ähnliche Einrichtungen unter direkte Polizeiaufsicht, während Staatsanwälte ihre Ermittlungen fortsetzten, berichtet Digi24.ro.
Die Straßen füllen sich
Nach Angaben von Digi24.ro nutzte Oppositionsführer Péter Magyar den Skandal, um seine Forderungen nach dem Rücktritt von Viktor Orbán zu erneuern.
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Er organisierte die Demonstration in Budapest, bei der die Protestierenden mit Stofftieren und Transparenten mit der Aufschrift „Schützt die Kinder!“ durch die Straßen zogen.
Die Menge skandierte „Orbán, tritt zurück!“, während sie durch die Stadt marschierte. Magyar argumentierte, der Fall mache tiefere systemische Versäumnisse deutlich.
„Dieser Skandal und andere ähnliche Fälle aus der Vergangenheit zeigen den mangelnden Kontrollmechanismus über öffentliche Einrichtungen, deren Aufgabe es ist, Minderjährigen in schwierigen Situationen zu helfen“, sagte er.
Zudem veröffentlichte er einen offiziellen Bericht aus dem Jahr 2021, dem zufolge mehr als ein Fünftel der in Einrichtungen untergebrachten Kinder Opfer von Missbrauch gewesen seien.
Orbáns Reaktion
Viktor Orbán verurteilte die Misshandlungen, versuchte jedoch, den Kontext der Einrichtung zu erklären. Er sagte, das Zentrum sei „de facto eine Art Gefängnis“ für „straffällige Minderjährige, die allesamt Verbrechen begangen haben“.
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„Meist handelt es sich um schwere Straftaten, darunter auch Morde“, sagte er. Zugleich räumte er Fehlverhalten des Personals ein. „Was uns alle schockiert hat, ist die Tatsache, dass ein Wachmann in einem sehr schwierigen Umfeld eine heikle Situation auf inakzeptable Weise gelöst hat.“
„Auch wenn es sich um einen jungen Straftäter handelt, darf er nicht so behandelt werden, wie dieser Wachmann ihn behandelt hat. Das ist ohne jeden Zweifel inakzeptabel“, fügte Orbán hinzu, so Digi24.ro.
Politische Tragweite
Der Skandal ereignet sich im Vorfeld der Parlamentswahlen, die für April kommenden Jahres angesetzt sind. Péter Magyar, einst ein Verbündeter Orbáns, hat sich zu dessen bislang ernsthaftestem Herausforderer entwickelt.
Magyar verließ Orbáns Fidesz-Partei Anfang vergangenen Jahres nach seiner Scheidung von der ehemaligen Justizministerin Judit Varga. Später gründete er die Tisza-Partei, die sich selbst als proeuropäische Mitte-rechts-Bewegung beschreibt.
Tisza belegte bei den Europawahlen mit fast 30 Prozent der Stimmen den zweiten Platz, und jüngste Umfragen deuten darauf hin, dass sie inzwischen vor Fidesz liegen könnte, berichtet Digi24.ro.
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Quellen: Digi24.ro, AFP, Reuters, Agerpres