Schrumpelige Finger im Wasser? Die überraschende Rolle des Nervensystems.
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Eine fast 90 Jahre alte Studie an Polio-Patientinnen und -Patienten gab der Wissenschaft ihren ersten großen Hinweis.
Haben Sie sich schon einmal gefragt: „Warum werden meine Finger im Wasser schrumpelig?“ Diese Frage beschäftigt Kinder in der Badewanne ebenso wie Jugendliche beim Schwimmtraining und Erwachsene im Whirlpool.
Früher ging man davon aus, dass sich die Haut durch das Aufsaugen von Wasser „aufquillt“, ähnlich wie ein Schwamm. Doch diese Erklärung hält – im wahrsten Sinne des Wortes – kein Wasser. Ihre Finger müssten deutlich stärker anschwellen, als sie es tatsächlich tun, um solche Falten zu verursachen.
Die Ursache liegt nicht allein in der Haut – vielmehr spielt Ihr Nervensystem eine zentrale Rolle.
Das berichtet Popular Science.
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Spezialhaut ohne Haare
Die Haut auf unseren Handflächen und Fußsohlen ist einzigartig. Diese Art von Haut wird als glatte oder haarlose Haut (glabrous skin) bezeichnet. Sie enthält keine Haare, dafür aber eine Vielzahl empfindlicher Rezeptoren, die es uns ermöglichen, Berührungen und Druck äußerst präzise wahrzunehmen. Solche Rezeptoren finden sich auch bei bestimmten Tieren, wie etwa dem Sternmull oder dem Schnabeltier, die sie zur Orientierung in ihrer Umgebung nutzen.
Studien haben gezeigt, dass glatte Haut über drei Mal so viele schnell leitende Nervenfasern verfügt wie behaarte Haut – was sie besonders empfindlich macht.
Frühe Beobachtungen führten zu neuen Erkenntnissen
Bereits im Jahr 1936 machten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine interessante Entdeckung: Bei Patientinnen und Patienten mit Nervenschäden infolge von Polio bildeten sich im Wasser keine Falten an den Fingern – unabhängig davon, wie lange sie eingetaucht waren.
Diese Personen wiesen Schäden am sogenannten Nervus medianus auf, einem wichtigen Nerv im Arm, der unter anderem für Bewegungen und Empfindungen in der Hand verantwortlich ist.
Dieser Nerv ist außerdem Teil des sympathischen Nervensystems, das in Alarm- oder Stresssituationen aktiviert wird – etwa in einer „Kampf-oder-Flucht“-Reaktion.
Was passiert eigentlich, wenn Ihre Finger schrumpelig werden?
Im Jahr 2003 wurde erstmals wissenschaftlich bestätigt, wie das Nervensystem dafür sorgt, dass sich Ihre Finger im Wasser kräuseln.
Wird Ihre Hand in warmes Wasser getaucht, reagiert das sympathische Nervensystem mit einer Verengung der Blutgefäße in der Haut – ein Vorgang, der als Vasokonstriktion bezeichnet wird. Die Blutversorgung der Finger nimmt dadurch ab, die Haut zieht sich zusammen und es entstehen Falten.
Aber warum passiert das überhaupt?
Die entscheidende Antwort kam im Jahr 2021. Der Wissenschaftler Nick Davis führte ein Experiment im British Science Museum durch, bei dem er testete, wie gut Menschen nasse und trockene Gegenstände greifen konnten – jeweils mit und ohne schrumpelige Finger.
Die Ergebnisse zeigten: Schrumpelige Finger ermöglichten einen besseren Halt auf nassen Oberflächen als glatte Finger. Dies ergibt auch aus evolutionärer Sicht Sinn: Unsere Vorfahren hatten mit faltigen Händen und Füßen bessere Chancen, Fische im Wasser festzuhalten oder Flüsse zu überqueren, ohne auszurutschen.
Ein evolutionäres „Werkzeug“ mit modernem Nutzen
Was einst das Überleben in der Natur erleichterte, kann heute in der medizinischen Diagnostik hilfreich sein. Wenn man die Hand ins Wasser taucht und beobachtet, ob sich Falten bilden, lassen sich Nervenschäden erkennen.
Unsere Haut verrät weit mehr, als man zunächst annehmen würde – sie ist gleichsam ein Fenster in das Innere unseres Körpers.