Was Menschen zur Migration bewegt, sind oft Erwartungen an Arbeit und Sicherheit. In sozialen Medien entstehen daraus einfache Erzählungen, die komplexe Realitäten ausblenden. Aktuelle Recherchen aus der Schweiz und Finnland zeigen, wie solche Mythen funktionieren.
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Nicht einzelne Länder stehen dabei im Fokus, sondern die Mechanismen dahinter. Zahlen, Versprechen und Halbwahrheiten entfalten online eine besondere Wirkung.
Folgen für Betroffene
SRF berichtet unter Verweis auf RTS, dass die verbreiteten Behauptungen zur Schweiz bei vielen Menschen konkrete Hoffnungen wecken. Wer an gut bezahlte Jobs ohne formale Hürden glaubt, plant Lebensentscheidungen auf unsicherer Grundlage.
Ähnlich beschreibt es Yle für Finnland. Dort seien Studierende und Arbeitsmigranten mit Erwartungen angekommen, die sich im Alltag nicht erfüllten. Finanzielle Engpässe und Abhängigkeit von Gelegenheitsjobs seien die Folge.
Fehlende Belege
Im Zentrum der Schweizer Erzählung steht die Zahl von 85’000 angeblich gesuchten Arbeitskräften ohne Diplom. Laut RTS kursiert sie seit 2022 international, meist ohne Quellenangabe.
Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) widersprach gegenüber RTS klar: „Das Seco ist nicht in der Lage, die Herkunft dieser Daten zu bestimmen“, sagte Sprecher Fabian Maienfisch. Die Zahl stamme nicht von Bundesstellen.
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Wie Zahlen wandern
RTS ordnet ein, dass sich dennoch ein Ursprung finden lässt. Ein Blick-Artikel aus dem Jahr 2022 griff eine Schätzung des Unternehmens Dynajobs auf.
Dessen Geschäftsführer hatte damals von einem Bedarf an Fachkräften nach der Corona-Krise gesprochen. Diese Einschätzung wurde später aus ihrem wirtschaftlichen Kontext gelöst und als aktuelle Rekrutierungsabsicht interpretiert.
Warum es sich verbreitet
Laut RTS erklärt der Lausanner Professor Patrick Haack, dass solche Inhalte gerade wegen ihrer Teilwahrheiten überzeugend wirken. Reale Löhne oder tatsächlicher Personalmangel in einzelnen Branchen dienten als Anker.
Soziale Medien verstärken diesen Effekt. Algorithmen belohnen klare Botschaften und emotionale Versprechen, nicht differenzierte Einordnung.
Ein anderer Einstieg: Finnland
Yle beschreibt ein verwandtes, aber eigenständiges Problem. Finnische Hochschulen greifen auf Bildungsagenten zurück, um internationale Studierende zu gewinnen.
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Nach Yle-Recherchen gaben einige dieser Agenten irreführende Informationen zu Jobs und Lebenshaltungskosten weiter. Hochschulen räumten ein, dass Kontrolle schwierig sei und finanzielle Anreize eine Rolle spielten.
Größerer Kontext
Beide Fälle zeigen laut RTS und Yle eine gemeinsame Herausforderung: fehlende Transparenz in digitalen Informationsräumen. Wenn Quellen unklar bleiben, verschwimmt die Grenze zwischen Werbung, Meinung und Nachricht.
Medienkompetenz, klare Verantwortung von Plattformen und sorgfältige Einordnung bleiben entscheidend, um Erwartungen nicht zur Falle werden zu lassen.
Quellen: RTS, SRF, Yle