Startseite Deutschland Zwischen Schuld und Gegenwart: Merz’ schwierige Reise

Zwischen Schuld und Gegenwart: Merz’ schwierige Reise

Friedrich Merz
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Beim ersten Besuch von Bundeskanzler Friedrich Merz in Israel prallen Gedenkpolitik und Gegenwartskonflikt aufeinander. Zwischen Holocaust-Erinnerung in Yad Vashem und kritischen Tönen zum Gaza-Krieg versucht der Kanzler, Solidarität mit Israel zu zeigen und zugleich Distanz zur Regierung Netanjahu zu wahren.

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Wie die Zeit berichtet, beginnt Merz seinen Kurzbesuch in der Gedenkstätte Yad Vashem. Sichtlich bewegt schreibt er ins Gästebuch: „Deutschland muss für die Existenz und die Sicherheit Israels einstehen. Das gehört zum unveränderlichen Wesenskern unserer Beziehungen, und zwar für immer.“

Er erinnert, laut WELT an das „furchtbare Verbrechen der Shoa, das Deutsche am jüdischen Volk begangen haben“ und knüpft damit an die Linie früherer Bundesregierungen an. Anders als Angela Merkel und Olaf Scholz vermeidet Merz jedoch bewusst den Begriff „Staatsräson“ und spricht stattdessen von einer dauerhaften Verantwortung Deutschlands für Israels Existenzrecht.

Gegenüber Präsident Isaac Herzog und später vor der Presse bekräftigt er nach Angaben von WELT: „Ich komme als ein Freund des Landes, als ein Freund Israels, der weiß, dass die Freundschaft zwischen Deutschland und Israel unendlich wertvoll und kostbar ist.“

Diplomatischer Spagat

In der gemeinsamen Pressekonferenz mit Benjamin Netanjahu betont Merz laut Tagesschau, Israel habe das Recht und die Pflicht, seine Bürger zu schützen. Zugleich müsse sich das Land als demokratischer Rechtsstaat „am Völkerrecht messen lassen“.

Das Vorgehen der Armee in Gaza habe Deutschland „in ein gewisses Dilemma geführt“, sagt er mit Blick auf das zeitweise eingeschränkte Waffenexport-Regime, wie Deutschlandfunk berichtet.

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Innenpolitisch war diese Entscheidung umstritten, außenpolitisch führte sie zu Irritationen in Israel. Merz versucht, Kritik einzuhegen, ohne klein beizugeben. „Kritik an der israelischen Regierung ist möglich und manchmal vielleicht sogar notwendig“, erklärt er laut WELT. „Aber Kritik an der Politik der israelischen Regierung darf nicht als Vorwand für Antisemitismus missbraucht werden. Schon gar nicht in Deutschland, auch das zählt zu unserer geschichtlichen Verantwortung.“

Streit um Palästinenserstaat

Beim Thema Zukunftsordnung klaffen Positionen sichtbar auseinander. Merz wirbt laut der Zeit „für die Perspektive der Gründung eines palästinensischen Staates an der Seite Israels“ als beste Chance auf einen dauerhaften Frieden.

Wie WELT berichtet, lehnt die Bundesregierung eine frühzeitige Anerkennung ab und knüpft sie an Verhandlungen und Reformen; „Was an dessen Ende steht, weiß heute von uns niemand“, sagt der Kanzler.

Netanjahu hingegen bekräftigt, wie Tagesschau berichtet, Israel werde „keinen Staat vor unserer Haustür schaffen, der vorhat, uns zu zerstören“. Parallel liegt gegen ihn ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen vor; Merz vermeidet eine Einladung nach Berlin und verweist laut WELT lediglich darauf, dass dies derzeit „kein Thema“ sei.

Zum Abschluss trifft Merz frühere Geiseln und Angehörige von Opfern der Hamas sowie Oppositionspolitiker wie Jair Lapid und Benny Gantz. Laut den Berichten soll Deutschland als historisch verpflichteter Partner sichtbar bleiben, ohne Netanjahus Kurs blind mitzutragen.

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Quellen: Die Zeit, Deutschlandfunk, Tagesschau, WELT