Viele Menschen glauben, dass der Testosteronspiegel das Leben und den Erfolg eines Menschen maßgeblich beeinflussen kann.
Einige Studien deuten darauf hin, dass Männer mit höheren Testosteronwerten beruflich erfolgreicher sind.
Allerdings besteht ein Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität. Neue Forschung auf Basis genetischer Daten zeigt laut Videnskab, dass Testosteron einen deutlich geringeren Einfluss auf Lebenschancen hat, als bisher angenommen.
Frühere Studien ergaben, dass männliche Führungskräfte mit höherem Testosteron mehr Untergebene hatten. Auch Börsenhändler mit hohen Werten erzielten größere Tagesgewinne.
Forscher stellten außerdem fest, dass Männer mit höherer Bildung oder mit eigenem Unternehmen tendenziell höhere Testosteronwerte aufwiesen.
Das schien auf einen Zusammenhang zwischen Testosteron und Unternehmertum hinzudeuten.
Testosteron wird oft nachgesagt, das Verhalten zu beeinflussen. Experimente zeigen, dass es Menschen aggressiver und risikofreudiger machen kann.
Diese Eigenschaften können im Berufsleben von Vorteil sein, etwa bei Gehaltsverhandlungen.
Allerdings konnte keine Studie bislang eindeutig belegen, dass Testosteron direkt diese Ergebnisse verursacht. Andere Erklärungen sind möglich.
Es könnte vielmehr so sein, dass nicht das Testosteron die sozioökonomische Stellung beeinflusst – sondern umgekehrt.
Eine bessere finanzielle Lage könnte zu höheren Testosteronwerten führen. Ein möglicher Faktor ist Stress: Wer unter schwierigen Bedingungen lebt, leidet häufig unter chronischem Stress, was den Testosteronspiegel senken kann.
Auch der soziale Status könnte eine Rolle spielen. Studien zu Sportwettkämpfen zeigen, dass Sieger nach dem Wettkampf oft einen Anstieg des Testosteronspiegels erfahren – Verlierer hingegen nicht.
Eine weitere mögliche Erklärung ist, dass gute Gesundheit sowohl den Testosteronwert als auch den beruflichen Erfolg positiv beeinflusst.
Männer mit höherem Testosteron sind im Durchschnitt gesünder – und wer gesund ist, leistet auch beruflich mehr.
Bei Frauen hingegen ist ein höherer Testosteronspiegel mit schlechterer Gesundheit verbunden, was möglicherweise erklärt, warum er mit niedrigerem sozioökonomischem Status korreliert.
Um Ursache und Wirkung besser voneinander zu trennen, nutzten Forscher eine Methode namens Mendelsche Randomisierung.
Dabei werden genetische Daten verwendet, um den Einfluss von Testosteron auf Einkommen und Bildung isoliert zu betrachten. Für die Studie wurden Daten von über 300.000 Personen aus der UK Biobank analysiert.
Die Ergebnisse zeigten: Männer mit höherem Testosteron hatten im Durchschnitt ein höheres Haushaltseinkommen und besaßen häufiger einen Hochschulabschluss.
Frauen mit höheren Werten verdienten dagegen tendenziell weniger und hatten eine geringere Bildung. Allerdings zeigten die genetischen Daten keinen direkten Einfluss von Testosteron auf den sozioökonomischen Status.
Dies legt nahe, dass frühere Studien möglicherweise durch andere Faktoren wie Gesundheit oder Stress verzerrt waren. Die Vorstellung, dass allein Testosteron über Erfolg entscheidet, ist höchstwahrscheinlich übertrieben.
