Russlands „Dreiecksangriff“-Taktik verändert den Krieg – und beunruhigt die NATO

Morten Lyhne Petersen

15 Stunden vor

|

18/03/2025
Krieg
Photo: Fortton / Shutterstock.com
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Koordinierte Infanterie, Drohnen und Gleitbomben stellen die Verteidiger vor ein Dilemma.

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Während Russlands Krieg in der Ukraine ins vierte Jahr geht, scheinen Moskaus Streitkräfte eine ihrer bislang wirksamsten Strategien gefunden zu haben – die sogenannte „offensive Dreieckstaktik“.

Geprägt von Experten des britischen Royal United Services Institute (RUSI), kombiniert diese Methode Infanterieangriffe, Drohnenkriegsführung und Gleitbombenschläge zu einer synchronisierten Offensive. Sie setzt die ukrainische Verteidigung zunehmend unter Druck und zieht die Aufmerksamkeit der NATO auf sich.

Zwar hat die Taktik bislang keine entscheidenden Durchbrüche erzielt, doch sie ermöglicht Russland schrittweise Geländegewinne. Gleichzeitig offenbart sie Schwächen in den klassischen Verteidigungsstrategien.

Das Dreieck: Drei koordinierte Angriffsebenen

Laut Business Insider operiert die Taktik auf drei ineinandergreifenden Ebenen:

  1. Infanterie und Panzer binden die Verteidiger: Russische Bodentruppen halten die ukrainischen Einheiten entlang der Frontlinie in Schach. Dabei geht es nicht immer um einen direkten Durchbruch – oft besteht die Hauptaufgabe darin, die ukrainischen Kräfte an Ort und Stelle zu binden und sie so für die anderen Angriffsmaßnahmen verwundbar zu machen.

  2. Zermürbung durch Drohnen und Artillerie: Während die ukrainischen Truppen gebunden sind, greifen FPV-Drohnen, Lancet-Kamikazedrohnen und weitreichende Artillerie sie kontinuierlich an. Ziel ist es, Material, Personal und Moral zu schwächen. Zusätzlich erschweren verstreute Minen, die per Artillerie abgefeuert werden, jegliche Bewegung.

  3. Zerstörung durch Gleitbomben: Der wohl verheerendste Bestandteil sind die UMPK-Gleitbomben – modifizierte sowjetische Eisenbomben, die mit Flügeln und GPS-Lenkung ausgestattet wurden. Abgeworfen aus sicherer Entfernung außerhalb der ukrainischen Luftabwehr, richten sie massive Zerstörung an – selbst wenn sie ihr Ziel nicht exakt treffen.

Zusammen stellen diese drei Angriffsformen die ukrainischen Verteidiger vor eine strategische Zwickmühle. RUSI beschreibt das Dilemma so:

„Sollten die ukrainischen Streitkräfte statische Verteidigungsstellungen einnehmen, um sich gegen Drohnen und Artillerie zu schützen, oder mobil bleiben, um nicht durch Gleitbomben ausgelöscht zu werden, die selbst befestigte Bunker zerstören können?“

Die Rückkehr der russischen Luftwaffe

Eine der größten Veränderungen der vergangenen Monate ist der wachsende Einfluss der russischen Luftwaffe, die sich zuvor aufgrund der starken ukrainischen Luftabwehr weitgehend aus direkten Kampfhandlungen herausgehalten hatte.

Gleitbomben haben diese Dynamik verändert.

Sie sind günstig in der Produktion, können aus sicherer Distanz abgeworfen werden und sind dennoch äußerst zerstörerisch. Zwar sind sie weniger präzise als vergleichbare US-Waffen wie die JDAM (Joint Direct Attack Munition), doch ihre enorme Sprengkraft reicht aus, um selbst bei einem Beinahetreffer massive Schäden anzurichten.

Laut RUSI steigt die russische Produktion von UMPK-Kits rapide an – von 40.000 Einheiten im Jahr 2024 auf voraussichtlich 70.000 im Jahr 2025.

Taktische Auswirkungen auf die Ukraine

Die zunehmende Effektivität der „offensiven Dreieckstaktik“ zwingt die ukrainischen Truppen zu einem Strategiewechsel.

Um nicht entdeckt zu werden, verlegen sie sich zunehmend auf unterirdische Bewegungen oder verteilen ihre Kräfte, um großflächigen Angriffen zu entgehen. Zudem setzen sie verstärkt auf Drohnen und unbemannte Systeme, um Gegenangriffe zu führen.

Während die ukrainische Verteidigung in der Vergangenheit oft erfolgreich gegen unkoordinierte russische Angriffe standhielt, wird sie nun mit einer hochorganisierten Kombination aus Boden- und Luftoperationen konfrontiert, die ihre Schwachstellen gezielt ausnutzt.

Warum die NATO alarmiert ist

Westliche Militärexperten sehen in der russischen Taktik eine potenzielle Herausforderung für die NATO. Gleitbomben sind an sich keine neue Waffe, doch Russlands massenhafter und kostengünstiger Einsatz dieser Munition stellt einen taktischen Wandel dar, der selbst die vorderen Verteidigungslinien der NATO vor Probleme stellen könnte.

Zwar verfügen die USA und ihre Verbündeten über ähnliche Technologien, doch der Ukraine-Krieg zeigt, wie entscheidend es sein kann, solche Waffen nicht nur zu besitzen, sondern sie auch in großen Mengen und zu niedrigen Kosten herzustellen.

„Russland tut jetzt genau das, was es von Anfang an hätte tun sollen – koordinierte Angriffe aus der Luft und am Boden“, zitiert Business Insider einen Analysten.

NATO-Militärplaner analysieren diese Entwicklung genau – nicht nur, um der Ukraine in der aktuellen Lage zu helfen, sondern auch, um sich auf mögliche zukünftige Konflikte vorzubereiten. Denn die Kombination aus massenhaften Drohnenangriffen und kostengünstiger Luftmunition könnte schon bald den Standard moderner Kriegsführung bestimmen.