Jens Asbjørn Bøgen
Man könnte meinen, dass Russland wüsste, wie es seine eigene Geschichte zu seinem Vorteil nutzen kann …
Was als schneller, umfassender Einmarsch in die Ukraine gedacht war, als Russland im Februar 2022 seine groß angelegte Invasion begann, hat sich inzwischen zu einem zermürbenden Abnutzungskrieg entwickelt, der nun in sein viertes Jahr geht.
Doch hätte Putin vorhersehen können, dass der ursprüngliche Plan zum Scheitern verurteilt war?
Die kurze Antwort lautet: ja – und er hätte dies erkennen können, indem er einfach ein Buch über die russische Geschichte aufgeschlagen hätte.
Napoleon, Hitler und nun Putin
Sowohl Napoleon als auch Hitler versuchten, Russland zu erobern, doch beide Vorhaben endeten in demütigenden militärischen Niederlagen.
Und viele der Probleme, mit denen Napoleon und Hitler konfrontiert waren, sind genau jene, mit denen Putin heute in der Ukraine zu kämpfen hat.
Obwohl sich der geopolitische Kontext und der Umfang unterscheiden, ist Russland in den Jahren 2022–2025 auf mehrere der gleichen Schwierigkeiten gestoßen, mit denen Napoleon und Hitler beim Versuch konfrontiert waren, weite Teile des russischen bzw. sowjetischen Territoriums zu kontrollieren oder zu besetzen.
1. Enorme geografische Ausdehnung und überdehnte Versorgungswege
Napoleons Grande Armée litt unter akuten Versorgungsengpässen, als sich die Nachschublinien tief ins russische Hinterland erstreckten; schlechte Straßen dezimierten Pferde und Soldaten.
Auch Hitlers Wehrmacht ging Treibstoff und Munition aus, da überdehnte Nachschubwege und das schwierige Gelände den Vormarsch verlangsamten.
Die russische Invasion
Als russische Truppen insbesondere Anfang 2022 in die Ukraine vorrückten, überholten sie schnell ihre eigenen Versorgungswege – genau wie Napoleons Grande Armée 1812 und Hitlers Wehrmacht 1941.
In allen Fällen blieben Versorgungslastwagen, Lebensmittelkonvois und Treibstofftransporter hinter den schnell vorstoßenden Frontverbänden zurück, was zu Koordinationsproblemen führte und die Truppen unterversorgt ließ.
2. Unterschätzung des lokalen Widerstands und Taktiken der verbrannten Erde
1812 brannten die Russen ihr eigenes Land nieder, um Napoleons Truppen die Versorgung zu entziehen.
Im Zweiten Weltkrieg sabotierten sowjetische Partisanen die Nachschublinien und verschärften so die Überdehnung der deutschen Streitkräfte.
Die russische Invasion
Die Ukraine hat diese Taktiken aufgegriffen und Infrastruktur systematisch vor dem Vormarsch russischer Truppen zerstört, wodurch die Invasoren ausgebremst wurden.
3. Harte Winter und schwieriges Gelände
Napoleon und Hitler waren auf die extremen Jahreszeiten Russlands schlecht vorbereitet.
Napoleons Armee brach unter der winterlichen Kälte zusammen, während Hitlers Truppen im Dezember 1941 vor Moskau ins Stocken gerieten.
Die russische Invasion
Russlands Invasion der Ukraine sah sich ebenfalls mit den berüchtigten „Rasputiza“-Schlammperioden und winterlichen Bedingungen konfrontiert, die Operationen verlangsamten und zu Ausfällen von Ausrüstung führten.
4. Strategische Selbstüberschätzung und Fehlkalkulationen
Napoleon erwartete einen schnellen Sieg und den raschen Einzug in Moskau. Hitler ging davon aus, dass Moskau innerhalb weniger Wochen fallen würde.
Stattdessen verstrickten sich beide in langwierige Kriege.
Die russische Invasion
Aus einer erwarteten dreitägigen Invasion ist inzwischen ein Krieg im vierten Jahr geworden. Putins Annahme eines Blitzangriffs auf Kyjiw führte stattdessen zu einem langanhaltenden Konflikt und zur Anpassung der ukrainischen Streitkräfte.
5. Logistische Mängel als Zeichen innerer Schwäche
Napoleons Rückzug zerstörte das militärische Prestige Frankreichs, und Hitlers ins Stocken geratene Ostfront markierte den Wendepunkt des Zweiten Weltkriegs.
Die russische Invasion
Russlands Krieg in der Ukraine hat in ähnlicher Weise Schwächen in der militärischen Planung, Engpässe in den Lieferketten und Verwundbarkeiten unter wirtschaftlichen Sanktionen offengelegt.
6. Geheimdienstversagen und Gruppendenken
Sowohl Napoleon als auch Hitler unterschätzten den Durchhaltewillen und die Fähigkeiten ihrer Gegner.
Im Zweiten Weltkrieg verkannten deutsche Geheimdienste die Widerstandskraft der Sowjetunion.
Die russische Invasion
Auch Putins Entscheidungsfindung schien abgeschottet zu sein und verfehlte es, die schnelle Mobilisierung der Ukraine sowie die Unterstützung des Westens vorherzusehen.
Dies könnte mit der raschen russischen Übernahme der Krim im Jahr 2014 zusammenhängen, bei der Teile der Zivilbevölkerung die russischen Truppen unterstützten.
7. Abnutzungskrieg und Zusammenbruch der Moral
Napoleon verlor während des Rückzugs Hunderttausende Soldaten.
Hitlers Feldzüge führten zu massiven Verlusten, als sich die Ostfront in einen zermürbenden Abnutzungskrieg verwandelte.
Die russische Invasion
Russlands aktueller Krieg in der Ukraine, insbesondere in lang andauernden Schlachten wie um Bachmut, ist mit ähnlich hohen Kosten und erheblichen Moralproblemen verbunden. Berichten zufolge wenden sich russische Soldaten teilweise sogar gegen ihre eigenen Einheiten.
Zudem wird geschätzt, dass Russland seit Februar 2022 mehr als eine Million Soldaten verloren hat.
8. Internationale Gegenreaktionen und Isolation
Napoleons Scheitern beschleunigte die Bildung von Koalitionen gegen ihn.
Hitlers Niederlage im Osten stärkte den Willen der Alliierten und führte letztlich zur bedingungslosen Kapitulation Nazi-Deutschlands.
Die russische Invasion
Heute hat Russlands Angriffskrieg die NATO geeint und die wirtschaftlichen Sanktionen vertieft, wodurch viele zuvor neutrale Länder näher an westliche Bündnisse herangerückt sind.
Missachtung historischer Lehren
Napoleon und Hitler ignorierten die Lehren des russischen Widerstands. Putins Invasion wiederholt diesen Fehler und sieht sich ähnlichen geografischen, logistischen und entschlossenen Gegenkräften gegenüber.
Flüsse, Schlamm, Kälte und nationaler Widerstandsgeist, die Russland einst schützten, prägen auch heute noch den Ausgang von Kriegen.
Quellen: Institute for the Study of War, Encyclopedia Britannica, Gefechtsberichte aus der Ukraine, historische Darstellungen