Wer gibt die Intelligenz tatsächlich an das Kind weiter: die Mutter oder der Vater? Diese Frage wird von vielen Eltern immer wieder gestellt – und die Meinungen dazu gehen weit auseinander. Doch was sagt die Wissenschaft dazu?
Wie wird Intelligenz definiert und woraus besteht sie?
Die Forschung hat darauf noch keine endgültige Antwort gefunden. Eine allgemein akzeptierte Maßeinheit ist der Intelligenzquotient (IQ).
Dieser gibt jedoch keine Auskunft darüber, ob die Intelligenz von der Mutter, vom Vater oder von beiden vererbt wurde.
Tatsächlich ist laut einer Studie der IQ-Wert eines Menschen nur zur Hälfte durch die Gene erklärbar. Die anderen 50 Prozent werden durch individuelle Lebensbedingungen bestimmt.
Große Studie
Eine umfassende Studie aus dem Jahr 2018 unter der Leitung von James J. Lee von der University of Minnesota liefert spannende Erkenntnisse. Dies berichtet die Welt.
Durch eine genomische Analyse von mehr als einer Million Teilnehmern konnte das Forscherteam 1271 genetische Variationen identifizieren, die Intelligenz und Bildungserfolg beeinflussen. Das bedeutet, dass nicht eine einzelne Genvariante entscheidend für die Intelligenz ist.
Vielmehr hat jede der 1271 identifizierten Variationen nur einen minimalen Einfluss auf den IQ. Ob diese Genvarianten primär von der Mutter oder vom Vater vererbt wurden, konnte das Forscherteam nicht feststellen.
Die Theorie
Eine wissenschaftliche Theorie besagt: Gene, die mit Intelligenz in Verbindung stehen, befinden sich hauptsächlich auf dem X-Chromosom. Der Mensch besitzt 46 Chromosomen, doch nur zwei davon sind Geschlechtschromosomen: X und Y.
Frauen haben zwei X-Chromosomen (XX), während Männer ein X- und ein Y-Chromosom (XY) besitzen. Normalerweise erbt ein Kind ein X-Chromosom von der Mutter. Die Spermien des Vaters übertragen entweder ein X-Chromosom an Töchter oder ein Y-Chromosom an Söhne.
In einem wissenschaftlichen Artikel wurde fälschlicherweise behauptet, dass Gene, die mit Intelligenz in Verbindung stehen, ausschließlich auf dem X-Chromosom liegen. Diese Schlussfolgerung ist jedoch nicht korrekt, da Frauen zwei X-Chromosomen besitzen und Männer nur eines.
Höchste Wahrscheinlichkeit von der Mutter
Daher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Intelligenz zu 100 Prozent von der Mutter vererbt wird, deutlich höher.
Forscher vermuten, dass sich Gene, die mit Intelligenz in Zusammenhang stehen, im X-Chromosom ansammeln, da dieses Chromosom auch viele Gene enthält, die in bestimmten Varianten mit geistiger Behinderung assoziiert sind.
Im Jahr 2014 schätzten chinesische Forscher, dass etwa 16 Prozent der Gene, die den IQ beeinflussen, auf dem X-Chromosom zu finden sind – obwohl dieses nur 3,4 Prozent aller menschlichen Gene enthält.
Umwelt ist entscheidend
Doch auch die Umwelt und die Erziehung spielen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der Intelligenz. Markus Nöthen, Direktor des Instituts für Humangenetik und Professor für genetische Medizin in Bonn, erklärt:
"Natürlich ist nicht allein die Genetik für das erreichte Bildungsniveau verantwortlich. Die Umwelt spielt eine große Rolle. Allerdings sind genetische und umweltbedingte Einflüsse eng miteinander verknüpft."
André Reis von der Universität Erlangen bestätigt:
"Um bestimmte Fähigkeiten zu entwickeln, reicht Talent allein nicht aus. Ich brauche auch ein stimulierendes Umfeld."