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Der frühere Präsident Finnlands warnt: Europa verliert Einfluss, wenn es nicht selbst mit Moskau spricht

Sauli Niinistö, Vladimir Putin
Пресс-служба Президента Российской Федерации / Wiki Commons

In Teilen Europas nimmt die Debatte über Sicherheit und geopolitische Verantwortung Fahrt auf. Sauli Niinistö, der Finnland zwölf Jahre lang führte, sieht dabei vor allem die EU in einer entscheidenden Rolle.

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Wie DR Nyheder berichtet, ringen die EU-Staaten seit Monaten darum, ob und wie man politischen Kontakt mit Moskau überhaupt noch aufnehmen sollte.

Der frühere Präsident Finnlands beobachtet, dass Länder im Süden der Union Risiken anders gewichten als nördliche und östliche Partner.

Dadurch entstehe eine Lage, in der grundlegende Fragen europäischer Sicherheit nicht einheitlich beantwortet würden.

Er erinnert daran, dass Europa bereits in der Pandemie gezeigt habe, wie vereintes Handeln aussehen kann.

Finnlands Weg als Kontrast

Niinistö verweist im Gespräch mit DR auf Finnlands jüngeren Kurs, der mit dem Nato-Beitritt einen historischen Wendepunkt markierte.

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Sein Land habe gelernt, dass sicherheitspolitische Zurückhaltung nicht zwangsläufig Schutz bedeute. Die lange Grenze zu Russland und Erfahrungen aus früheren Konflikten hätten die politische Kultur geprägt.

DR zitiert ihn mit der Einschätzung, dass ein direkter Angriff Moskaus auf Europa nicht zu erwarten sei, solange der Kontinent Stärke demonstriere: „Wir müssen stärker aussehen – und es auch sein.“

Kritik an europäischer Passivität

Nach Angaben von DR sieht Niinistö ein zentrales Problem darin, dass Europa sicherheitspolitische Verhandlungen zunehmend anderen überlasse.

Er bezieht sich auf den amerikanischen Vorschlag zu möglichen Regelungen für die Ukraine, bei dem die Europäer laut ihm kaum Einfluss gehabt hätten.

Aus Niinistös Sicht könne ein dauerhafter Ausschluss bedeuten, dass sich auch Entscheidungen über Europas eigene Ordnung verschieben. 

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Gesprächskanäle und globale Dynamik

Im Interview äußert Niinistö Zweifel daran, dass totale Funkstille gegenüber Moskau strategisch klug sei.

„Trump spricht mit ihm“, sagt er über das Verhältnis zwischen dem US-Präsidenten und Wladimir Putin – ein Beispiel, das er heranzieht, um europäische Zurückhaltung infrage zu stellen.

Seine Warnungen richten sich laut DR nicht auf bilaterale Kontakte einzelner EU-Staaten, sondern auf einen kollektiven Ansatz.

Er geht zudem davon aus, dass Russland weiterhin Störaktionen einsetzen werde, um politischen Druck zu erzeugen.

Finnische politische Führung reagiert zurückhaltend

Die Außenministerin Elina Valtonen reagierte zurückhaltend auf Niinistös Vorschlag, direkte Gespräche mit Russland über ein Ende des Angriffskrieges zu führen.

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Sie betonte gegenüber Yle, dass Russland bislang keine echte Bereitschaft zur Beendigung des Krieges zeige und Gespräche nicht nur um der Gespräche willen stattfinden sollten.

Valtonen hob hervor, dass Europa seine Entscheidungen selbst treffe und geschlossen bleiben müsse. Sie begrüßte die US-Initiativen, wies aber darauf hin, dass auch dort keine Zugeständnisse aus Moskau erfolgt seien.

Auch Premierminister Petteri Orpo und Verteidigungsminister Antti Häkkänen unterstrichen, dass mögliche Verhandlungen mit Russland nur koordiniert und gemeinsam auf europäischer Ebene geführt werden dürften.

Auch Forscherin widerspricht Niinistös Dialog-Vorschlag

Wie die Zeitung Helsingin Sanomat berichtet, warnt die führende Forscherin des Finnischen Instituts für Außenpolitik, Sinikukka Saari, davor, direkte Gespräche mit Russland aufzunehmen, wie es Präsident Sauli Niinistö vorgeschlagen hat.

Ihrer Einschätzung nach würde Moskau diplomatische Kontakte vor allem dazu nutzen, Europa zu spalten und seine eigene Großmachtstellung zu festigen.

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Putin habe kein echtes Interesse an einem Dialog, der auf die Beendigung des Angriffskrieges gegen die Ukraine abzielt, sondern wolle die europäische Einheit schwächen.

Deshalb seien viele europäische Staats- und Regierungschefs zurückhaltend, direkte Kontakte zu ihm aufzunehmen.

Saari erinnert zudem daran, dass auch die Ukraine solche Gespräche kritisch bewertet habe, da sie die Position Kiews untergraben könnten.

Einzelne Kontakte, wie die von Emmanuel Macron oder Viktor Orbán, hätten gezeigt, wie Russland Gespräche für seine Zwecke instrumentalisieren könne.

Damit Verhandlungen überhaupt einen positiven Effekt hätten, müsste Europa mit einer klaren und gemeinsamen Linie auftreten.

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Ein Dialog sei daher kein Allheilmittel, das automatisch die europäische Geschlossenheit stärkt.

Eine Frage bleibt offen

Am Ende bleibt die Frage offen, ob Europa den richtigen Zeitpunkt für einen Dialog mit Moskau finden wird – und ob ein solcher überhaupt die gewünschte Wirkung entfalten könnte.

Während die finnische Regierung und Experten vor vorschnellen Gesprächen warnen, hält Sauli Niinistö an seiner Sorge fest, dass Europa ohne eigene Stimme an Einfluss verliert.

Er beschreibt die Lage im Interview mit Yle mit deutlichen Worten: „Ich sehe weiterhin eine gewisse merkwürdige Situation darin, dass die Europäer erklären, sie sprächen nicht mit dem Kriegsverbrecher Putin. Aber Trump spricht – und dann gehen wir zuhören, worüber sie gesprochen haben. Gleichzeitig fürchten wir ein wenig, dass sie über Europa hinweg sprechen.

Damit verdeutlicht Niinistö die Spannung zwischen europäischer Geschlossenheit und geopolitischem Handlungsdruck – eine Debatte, die Europa noch lange beschäftigen dürfte.

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Quellen: DR Nyheder, Helsingin Sanomat, Yle