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Juristen warnen: Neue Reform könnte Hoffnung auf Rückgabe von NS-Raubkunst zerstören

Juristen warnen: Neue Reform könnte Hoffnung auf Rückgabe von NS-Raubkunst zerstören
Everett Collection / Shutterstock.com

Seit Jahrzehnten kämpfen Familien, deren Angehörige unter der NS-Verfolgung ihrer Sammlungen beraubt wurden, darum, auch nur einen Bruchteil des Gestohlenen zurückzuerhalten.

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Nun hat eine weitreichende Änderung im deutschen Restitutionssystem einen Aufschrei unter Anspruchsberechtigten ausgelöst. Sie befürchten, dass das neue Verfahren sie vollständig ausschließen wird.

Wie The Mirror berichtet, glauben Familien und Experten, dass die in dieser Woche eingeführten Regeln eher Museen schützen könnten als die Nachkommen der Verfolgten.

Wachsende Frustration

Seit dem 1. Dezember arbeitet Deutschland mit neuen Schiedsgerichten, die Berlin als überfälligen Fortschritt bezeichnet.

Doch Ermittler und Juristen, die von The Mirror zitiert werden, argumentieren, dass die Tribunale mit prozessualen Hürden überladen seien, die Gerechtigkeit noch schwerer erreichbar machen.

Familien sagen, dass die Anforderungen für die Einreichung eines Anspruchs so streng geworden sind, dass einige jüdische Erben möglicherweise gar nicht mehr qualifizieren.

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Mehr als 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs suchen Tausende noch immer nach Kunstwerken, die durch Zwangsverkäufe, Erpressung oder offenen Diebstahl verloren gingen.

Kunstermittler Willi Korte sagte dem Mirror, die neue Struktur „erweckt den Eindruck, dass das Verfahren den Anspruchstellern das Leben schwerer machen soll. Zu wessen Gunsten? Zugunsten der Museen.“

Belastung für die Opfer

Restitutionsanwalt Olaf Ossmann erklärte, der neue Rahmen „zwingt die verfolgte Person nachzuweisen, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen ihrer Verfolgung und einem erzwungenen Verkauf gibt.“

Diese Änderung legt die Beweislast auf die Familien – obwohl viele Unterlagen im Krieg zerstört oder in den Generationen danach verloren gingen.

Eine weitere Restitutionsanwältin, Anja Anders, warnte im Gespräch mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk Berlin-Brandenburg, dass Menschen mit unvollständiger Dokumentation nun ausgeschlossen werden könnten.

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Sie sagte: „Das wird dazu führen, dass mancher Teilerbe sagt: ‘Wir können überhaupt nicht vor das Schiedsgericht gehen, weil uns ein weiterer Erbe fehlt.’“

Ein Erbe stockender Fälle

Deutschland schätzt, dass rund 600.000 Kunstwerke durch NS-Verfolgung verloren gingen.

Doch seit Verabschiedung der Washingtoner Prinzipien 1998 haben Museen nur 7.738 Kulturobjekte und 27.550 Bücher zurückgegeben.

Die scheidende Beratende Kommission schloss in 22 Jahren lediglich 26 Fälle ab – vor allem, weil Institutionen das Recht hatten, ihre Teilnahme zu verweigern.

Dieses Vetorecht ermöglichte es Museen, über Jahre hinweg jeder Prüfung zu entgehen.

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The Mirror berichtet, dass Bayern mehr als ein Jahrzehnt lang eine Anhörung im Streit um Picassos Madame Soler verweigerte, ein Werk, das einst dem jüdischen Bankier Paul von Mendelssohn-Bartholdy gehörte.

Erst nach Inkrafttreten der neuen Regeln begrüßte der Freistaat plötzlich ein Schiedsverfahren – ein Wandel, den Kritiker als Beleg dafür sehen, wer tatsächlich von der Reform profitiert.

Wer von der Reform profitiert

Die Einführung der neuen Tribunale wird als Beschleunigung der Verfahren dargestellt, doch Experten befürchten, dass die Maßnahmen eher zu weniger statt mehr Fällen führen könnten.

Mit höheren Hürden und umfangreicheren Dokumentationspflichten könnte die Reform weniger ein Weg zur Rückgabe als vielmehr ein Schutzschild für große Sammlungen sein.

Kulturminister Wolfram Weimer erklärte in einem Regierungsschreiben, das Tribunal werde „neue Bewegung“ bringen.

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Juristen hingegen argumentieren, die Bewegung gehe nur in eine Richtung: Museen erhalten mehr Einfluss, während Familien vor noch mehr Hindernissen stehen.

Die menschliche Dimension

Hinter den juristischen Auseinandersetzungen stehen Familien, die seit Generationen auf eine Chance warten, das Zurückzuerhalten, was ihnen genommen wurde.

Viele sagen, dass die neuen Regeln die letzte Hoffnung zunichtemachen, NS-Raubkunst wiederzuerlangen.

Besucher betrachten weiterhin Gemälde in deutschen Museen, deren ursprüngliche Eigentümer vertrieben, ins Exil gezwungen oder während der NS-Zeit ermordet wurden.

Quellen: The Mirror.

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