In der Schweiz prallen derzeit zwei Welten aufeinander: ein streng geregeltes Traditionshandwerk und eine freie Szene, die das alpine Jodeln neu interpretiert. Beide hoffen, dass eine internationale Anerkennung helfen könnte, das musikalische Erbe langfristig zu sichern.
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Laut SRF sieht die Thurgauer Sängerin Sonja Morgenegg im improvisierten „Wildjodeln“ ihre künstlerische Heimat. „Ich bin Künstlerin und ich mag die Freiheit“, sagte sie. Sie kombiniere ihre Melodien spontan und lasse Einflüsse aus Blues, Jazz oder Techno zu. „In Zürich gibt es eine lebendige Jodelszene“, erklärt sie. „Das sind Leute, die keine Tracht mehr anziehen müssen, um jodeln zu können.“
Parallel dazu hält die traditionelle Praxis ihren festen Platz. Der Eidgenössische Jodlerverband zählt rund 12 000 aktive Mitglieder; Wettbewerbe folgen klar formulierten Vorgaben. Partituren müssen vorgelegt werden, die „korrekte Tracht“ ist Pflicht und Regelverstösse führen zur Disqualifikation.
Neue Bedeutung für altes Wissen
Für Barbara Betschart, die das Zentrum für Appenzeller und Toggenburger Volksmusik leitet, geht es um mehr als Bühnenregeln.
„Es gilt unter anderem, der Meinung entgegenzuwirken, dass das Jodeln eine altbackene Sache ist,“ sagte sie der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Sie sehe die Vielfalt als Stärke und hoffe, dass auch Menschen mit Migrationsgeschichte Zugang finden.
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Traditionelle Formen prägten zwar das „Seelengedächtnis“, sagte sie, doch zeitgenössische Kompositionen hätten ebenfalls ihren Platz: „Es ist nicht das eine besser als das andere.“
Das von ihr unterstützte Komitee möchte das Jodeln zudem stärker im Schulwesen verankern. „Wir wünschen uns, dass Lehrpersonen bereits in der Primarschule mit den Kindern jodeln“, erklärte sie.
Der späte Blick nach Neu-Delhi
Erst vor diesem kulturellen Hintergrund rückt der internationale Entscheid in den Fokus. Nach Angaben von Watson berät ein Unesco-Ausschuss in Neu-Delhi darüber, das Schweizer Jodeln in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufzunehmen. Die Entscheidung wird zum Ende der Woche erwartet.
Betschart verweist auf die Eigenständigkeit des Schweizer Naturjodels – getragen, auf O, U und gelegentlich Ü gesungen – und klar unterscheidbar von österreichischen oder bayerischen Varianten. Ein gemeinsamer Antrag bei der Unesco sei daher „kein Thema“ gewesen. Bereits gelistet sind Jodeltraditionen aus Simbabwe und Georgien.
Quellen: SRF, Watson, dpa