Die politische Debatte über eine modernisierte Dienstpflicht hat eine zentrale Hürde genommen. Während die Bundesregierung auf Freiwilligkeit setzt, werden zugleich verbindliche Elemente ausgebaut – ein Schritt, der sowohl die Sicherheitslage Europas widerspiegelt als auch innenpolitische Spannungen verdeutlicht. Die Reform zielt auf eine langfristige Stärkung der Bundeswehr, stößt jedoch gerade bei jungen Menschen auf Widerstand.
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Laut rbb24 hat das Wehrdienst-Modernisierungsgesetz den Bundestag mit 323 Ja-Stimmen passiert. Die schwarz-rote Koalition musste dafür einen Kompromiss finden, nachdem die Union zunächst automatische Mechanismen in Richtung Wehrpflicht gefordert hatte.
Die Zeit erläutert, dass der vereinbarte Mittelweg eine sogenannte Bedarfswehrpflicht vorsieht, die nur durch einen erneuten Parlamentsbeschluss aktiviert werden kann.
Diese Regelung steht im Kontext des russischen Angriffs auf die Ukraine. Die Bundesregierung sieht sich laut Die Zeit mit einem steigenden Bedarf an Personal konfrontiert – ein Trend, der auch andere europäische Staaten betrifft.
Blick nach Europa
Mehrere Länder haben in den vergangenen Jahren ihre Modelle angepasst: Norwegen weitete die Wehrpflicht 2015 auf Frauen aus, Schweden führte 2017 die Musterung wieder ein – ebenfalls für Männer und Frauen.
Finnland hält wiederum seit Jahrzehnten an einem verpflichtenden System fest, das jedoch ausschließlich Männer betrifft. In den vergangenen Jahren wurde zwar darüber diskutiert, die Wehrpflicht auch auf Frauen auszuweiten, doch ein entsprechender Beschluss steht bislang aus. Wie ein Bericht von Yle zeigt, herrscht unter den Politikern in dieser Frage Uneinigkeit.
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In all diesen Ländern begründen Regierungen die Wehrpflicht mit Sicherheitsrisiken. Die deutsche Debatte ordnet sich in dieses Muster ein, versucht jedoch stärker auf Freiwilligkeit zu setzen, wie Die Zeit berichtet.
Der geplante deutsche Weg kombiniert ein verpflichtendes Screening mit einem freiwilligen Einstieg in den Dienst – ein Ansatz, der keinem bestehenden EU-Modell vollständig entspricht, aber Elemente aus mehreren Systemen übernimmt.
Umsetzung und offene Fragen
Nach Angaben der Zeit sollen ab 2026 alle Männer eines Jahrgangs einen Fragebogen ausfüllen, der Informationen zu Qualifikationen und Einsatzbereitschaft erfasst. Wer darauf reagiert, wird später gemustert. Die eigentlichen Untersuchungsstellen müssen aufgrund früherer Schließungen erst neu aufgebaut werden – ein Prozess, der bis 2027 dauern soll.
Die Regierung verspricht Anreize wie rund 2.600 Euro monatlich, kostenlose Unterkunft und berufliche Förderprogramme. Halbjährliche Berichte sollen den Personalzuwachs belegen; bis 2035 sind bis zu 270.000 aktive Soldatinnen und Soldaten sowie 200.000 Reservisten vorgesehen.
Schüler leisten Widerstand
Deutschlandfunk berichtet, dass in rund 90 Städten Schülerinnen und Schüler protestierten. Ein Bündnis von Jugendorganisationen kritisierte, der Staat setze sich „über Körper, Lebenszeit und Zukunftspläne“ hinweg.
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In Berlin erklärte Landesschülersprecher Orcun Ilter gegenüber rbb24, Jugendliche seien nicht ausreichend gehört worden und befürchteten eine verdeckte Rückkehr zur Pflicht.
Die Behörden erinnerten daran, dass Teilnahme an Schulstreiks während der Unterrichtszeit als unentschuldigtes Fehlen gilt.
Quellen: Deutschlandfunk, Die Zeit, NRK, rbb24, SVT, Yle