Die Europäische Rundfunkunion (EBU) hat in Genf die Weichen für den Eurovision Song Contest 2026 gestellt. Neue Regeln sollen Vertrauen und Neutralität stärken, zugleich löst die Entscheidung über Israels Teilnahme einen offenen Bruch mit mehreren Sendern aus. Der Wettbewerb, der 2026 sein 70. Jubiläum in Wien begeht, steht damit schon früh unter politischer Beobachtung – trotz des offiziellen Mottos „United by Music“.
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Nach Angaben der EBU stimmte die Generalversammlung in geheimer Abstimmung für ein Paket gezielter Regeländerungen. Alle Mitglieder, die diese Vorgaben akzeptieren, dürfen beim ESC 2026 antreten.
EBU-Präsidentin Delphine Ernotte Cunci sagte laut EBU, das Ergebnis zeige den gemeinsamen Willen der Mitgliedssender, Transparenz und Vertrauen im Eurovision Song Contest zu stärken. Sie betonte außerdem, dass die langen Beratungen wesentliche Änderungen der Wettbewerbsregeln hervorgebracht hätten.
Mehrere Delegierte nutzten die Debatte laut EBU, um auch auf den Schutz unabhängiger Medien und die Lage von Journalistinnen und Journalisten in Konfliktgebieten wie Gaza hinzuweisen.
Israel bleibt, andere gehen
Die Entscheidung öffnet dem israelischen Sender KAN den Weg nach Wien. ORF-Generaldirektor Roland Weißmann betonte laut ORF, „dass beim Song Contest TV-Anstalten und keine Regierungen teilnähmen“ und begrüßte, „dass KAN beim 70. Eurovision Song Contest in Wien dabei ist“.
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig erklärte, „Einem erfolgreichen ESC steht nun aus meiner Sicht nichts mehr im Weg.“ Israels Präsident Izchak Herzog schrieb auf X: „Israel verdient es, auf allen Bühnen der Welt vertreten zu sein“ und sprach von „Solidarität, Verbundenheit und Zusammenarbeit“.
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Gleichzeitig steigen Spanien, Irland, Slowenien und die Niederlande aus. Der irische Sender RTÉ nennt, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, eine Teilnahme „angesichts des entsetzlichen Verlusts von Menschenleben in Gaza und der humanitären Krise dort“ unzumutbar. RTVE-Präsident José Pablo López kritisierte, der ESC sei zu einem von geopolitischen Interessen geprägten Festival geworden.
Neue Schutzmechanismen
Nach Angaben der EBU dürfen Sender und Künstler:innen künftig nicht mehr als Gesichter von Kampagnen Dritter auftreten, auch nicht von Regierungen oder staatlichen Agenturen, wenn diese das Voting beeinflussen sollen. ORF und andere Medien verweisen in diesem Zusammenhang auf eine groß angelegte Aktion einer regierungsnahen Agentur zugunsten der israelischen Sängerin Yuval Raphael beim ESC 2025.
Laut ORF werden die Fachjurys neu aufgestellt: In jedem Land sollen sieben Musikprofis entscheiden, mindestens zwei im Alter von 18 bis 25 Jahren, alle mit schriftlicher Unabhängigkeitserklärung. In den Halbfinalshows fließen ihre Punkte wieder wie die Stimmen des Publikums zu je 50 Prozent in das Ergebnis ein. In den letzten Jahren entschied allein das Publikum, welche Beiträge aus den Halbfinals ins Finale einzogen.
Für die Fans gilt künftig ein engerer Rahmen. Pro Zahlungsweg können sie maximal zehn Stimmen vergeben, zuvor lag die Grenze bei 20. Zugleich kündigt die EBU zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen gegen Betrugsversuche und abgesprochene Wertungen an.
Proteste und Ausblick
Die Spannungen um Israels Teilnahme hatten sich bereits beim ESC 2025 gezeigt. Der Tagesspiegel berichtete von einem Farbangriff zweier Aktivisten am Rande von Yuval Raphaels Auftritt in Basel und von Demonstrationen mit Slogans wie „Schande über Euch“ und „Freiheit für Palästina“ außerhalb der Halle.
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Kritiker verweisen außerdem auf den früheren Ausschluss Russlands und warnen vor doppelten Standards. Spaniens Premier Pedro Sánchez hatte laut Süddeutsche Zeitung mit Blick auf Israel und Russland erklärt, man dürfe „keine doppelten Standards in der Kultur zulassen“.
Die EBU will die endgültige Teilnehmerliste für Wien laut ORF noch vor Weihnachten veröffentlichen. Die Shows in der Wiener Stadthalle sind für den 12. und 14. Mai (Halbfinals) sowie den 16. Mai 2026 (Finale) angesetzt.
Quellen: EBU, ORF, Süddeutsche Zeitung, Tagesspiegel