Kathrine Frich
Überall auf dem Kontinent wird den Europäern zunehmend bewusst, dass der Konflikt mit Russland nicht mehr nur auf die Schlachtfelder in der Ukraine beschränkt ist.
Cyberangriffe, Sabotageversuche, Desinformationskampagnen und wiederholte Drohneneintritte in den NATO-Luftraum haben zunehmend das Gefühl verstärkt, dass bereits ein hybrider Krieg im Gange ist.
Jeder neue Vorfall nährt die Wahrnehmung, dass sich diese Spannungen zu etwas weit Gefährlicherem ausweiten könnten.
Eine neue multinationale Umfrage deutet nun darauf hin, dass diese Besorgnis die öffentliche Meinung prägt: Die meisten Europäer halten das Risiko einer militärischen Konfrontation mit Russland für hoch.
Vom geografischen Standort geprägte Wahrnehmungen
Die Befragung, die Ende November von Cluster 17 für die französische geopolitische Publikation Le Grand Continent durchgeführt wurde, umfasste 9.553 Personen in neun EU-Staaten: Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, Polen, Portugal, Kroatien, Belgien und die Niederlande.
In jedem dieser Länder wurden mehr als 1.000 Teilnehmer befragt.
Auf die Frage, ob Russland in den kommenden Jahren Krieg gegen ihr Land führen könnte, antworteten 51 Prozent der Befragten, die Wahrscheinlichkeit sei „hoch“ oder „sehr hoch“.
Polen, das an Russland und dessen Verbündeten Belarus grenzt, zeigte mit Abstand die größte Besorgnis: 77 Prozent der Polen stuften die Bedrohung als ernst ein. In Frankreich waren es 54 Prozent, in Deutschland 51 Prozent.
Italien wies den niedrigsten Besorgnisgrad auf: 65 Prozent der italienischen Befragten hielten das Risiko für gering oder nicht vorhanden – ein Hinweis darauf, wie stark die geografische Entfernung zu Russland die Wahrnehmung beeinflusst.
China als unwahrscheinlicher Gegner
Während die Sorge über Russland deutlich zugenommen hat, zeigten sich die Europäer gegenüber China weit entspannter. 81 Prozent gaben an, dass sie einen Krieg mit Peking in den kommenden Jahren für unwahrscheinlich halten.
Nach Einschätzung von Le Grand Continent ist Russland damit die klar dominierende staatliche Bedrohung im europäischen Meinungsbild.
Terrorismus bleibt ebenfalls eine große Sorge: 63 Prozent sehen ein erhebliches Risiko einer Konfrontation mit terroristischen Organisationen.
Zweifel an der eigenen Landesverteidigung
In allen neun Ländern war das Vertrauen in die nationale Verteidigungsfähigkeit gering. 69 Prozent meinten, ihr Land wäre „überhaupt nicht“ oder „eher nicht“ in der Lage, sich gegen einen russischen Angriff zu verteidigen.
Frankreich, das einzige Land der Umfrage mit Atomwaffen, zeigte den höchsten Grad an Zuversicht: 44 Prozent glaubten, dass das Land sich verteidigen könne.
Belgien, Italien und Portugal waren am skeptischsten – in jedem dieser Länder äußerten über 85 Prozent Zweifel an der Verteidigungsfähigkeit.
Quellen: Ziare.com, Le Grand Continent