Der deutsche Geheimdienstchef warnt: Der Kreml könnte Provokationen im Baltikum inszenieren – ähnlich wie bei der Übernahme der Krim.
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Der scheidende Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl, hat davor gewarnt, dass der russische Präsident Wladimir Putin versuchen könnte, unter dem Vorwand des Schutzes russischsprachiger Bevölkerungsgruppen einen Konflikt im Baltikum zu entfachen.
Im Gespräch mit Reuters erklärte Kahl, dass Russland derzeit keine großangelegte militärische Invasion mit Panzern oder Bomben vorbereite.
Stattdessen könnte Moskau sogenannte „grüne Männchen“ – also Einsatzkräfte ohne militärische Kennzeichen – nach Estland entsenden, mit dem Vorwand, die dort lebenden ethnischen Russen zu schützen.
Laut Kahl wäre dies ein Versuch, die Einsatzbereitschaft der NATO zur Verteidigung ihrer Mitgliedstaaten auf die Probe zu stellen.
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Er betonte, dass nachrichtendienstliche Erkenntnisse bestätigen, dass die Ukraine nicht das Endziel Russlands sei.
„Wir sind absolut sicher, und wir haben geheimdienstliche Beweise dafür, dass die Ukraine nur ein Schritt auf Russlands Weg gen Westen ist“, so Kahl.
Die Glaubwürdigkeit der NATO im Fadenkreuz des Kremls
Kahl ist überzeugt, dass ein Teil der russischen Führung daran zweifelt, ob die NATO im Ernstfall tatsächlich reagieren würde.
„Sie glauben nicht mehr daran, dass Artikel Fünf der NATO greift. Und sie möchten das testen“, sagte er.
Er fügte hinzu, dass Russlands übergeordnetes Ziel darin bestehe, die NATO zu schwächen, sie auf ihren Stand vor den 2000er-Jahren zurückzuführen und die USA aus Europa zu drängen.
„Sie wollen Amerika aus Europa vertreiben und werden dafür jedes Mittel einsetzen“, warnte Kahl.
Gespräche mit Moskau hält Kahl derzeit für sinnlos. Er wies darauf hin, dass Putins Position unverändert sei und auf eine aggressive Strategie abziele.
„Es ist derzeit sinnlos, mit Moskau zu verhandeln“, sagte er.
Estland stärkt seine Verteidigung
Auch in Estland mehren sich die Sorgen über Russlands Absichten.
Kaido Tiitus, Berater des Vizekanzlers im estnischen Verteidigungsministerium, erklärte, Russland bleibe die größte militärische Bedrohung.
„Russland ist und bleibt die größte Bedrohung für die Sicherheit Estlands“, sagte er.
Obwohl der Krieg in der Ukraine Russlands offensive Fähigkeiten geschwächt habe, warnte Tiitus, dass Russland seine Stärke innerhalb von zwei bis drei Jahren wieder aufbauen könne.
Estland hat bereits begonnen, seine Grenzverteidigung zu verstärken. Im April 2025 kündigte das Land Pläne zur Eröffnung eines neuen Militärstützpunkts in Narva nahe der russischen Grenze an. Dort sollen über 200 estnische und alliierte Soldaten stationiert werden.
Dies folgt auf die Eröffnung des Reedo-Militärstützpunkts im September 2024, ebenfalls in Grenznähe, der bis zu 1.000 Soldaten aufnehmen kann und laut NATO-Planungen als strategischer Sammelpunkt dient.
Darüber hinaus errichtet Estland entlang seiner Ostgrenze eine Verteidigungslinie mit 600 befestigten Strukturen.
Die erste Bauphase umfasst 14 Bunker im Nordosten sowie vier weitere im Südosten, die bis Herbst dieses Jahres fertiggestellt sein sollen.