Startseite Europa Grenzkontrollen, Misstrauen, Geschichtslasten: Warum Deutschlands Verhältnis zu Polen wackelt

Grenzkontrollen, Misstrauen, Geschichtslasten: Warum Deutschlands Verhältnis zu Polen wackelt

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MOs810, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Während Europa nach neuen Sicherheitsgarantien sucht, driften Deutschland und Polen zugleich in mehreren Konfliktfeldern auseinander. Migration, nationale Rhetorik und offene Geschichtsfragen überlagern ein Verhältnis, das eigentlich enger sein müsste.

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Die Sympathiewerte der Polen gegenüber den Deutschen haben sich in den letzten Jahren verschlechtert. Das Deutsch-Polnische Barometer zeigt, dass nur noch ein Drittel der Befragten eine positive Einstellung zu Deutschen hat.

Die Politologin Agnieszka Łada-Konefał sagte laut ZDF, dies sei kein Ausdruck genereller Feindseligkeit, aber ein deutliches Warnsignal.

Viele Polen fühlten sich politisch übergangen, besonders bei sicherheitsrelevanten Gesprächen. Euronews zitierte den Experten Kai-Olaf Lang mit der Einschätzung, Warschau habe den Eindruck, Deutschland rede zwar von Partnerschaft, lasse Polen aber bei entscheidenden Formaten außen vor.

Eskalation im Alltag

Auf dieser Grundspannung baut sich ein weiteres Konfliktfeld auf: die Grenzpolitik. Deutschland führte der Tagesschau zufolge bereits 2023 punktuelle Kontrollen ein, offiziell zur Eindämmung irregulärer Migration. Polen reagierte im Juli 2025 mit eigenen Grenzkontrollen und hat sie mittlerweile bis April 2026 verlängert, wie das Innenministerium (MSWiA) mitteilte.

Die Folgen waren in der Grenzregion sofort spürbar. Der Bürgermeister von Zgorzelec, Rafał Gronicz, schilderte, wie die Tagesschau meldete, dass selbst kurze Besuche im benachbarten Görlitz – etwa ein Familienausflug ins Schwimmbad – kaum noch praktikabel seien.

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Zudem pendeln in seiner Stadt rund 30 Prozent der Einwohner täglich nach Deutschland, was die Sorgen über zusätzliche Verzögerungen verstärkt.

Politische Zuspitzung

Parallel erhielten nationalkonservative Kräfte neues Gewicht. Rechtsextreme Aktivisten behaupteten laut Tagesschau, Deutschland dränge Migranten an Polens Westgrenze. Im Juni formierten sich Gruppen, die sich selbst als „Bürgerwehren“ bezeichneten und in Städten wie Stettin und Zgorzelec Kontrollpunkte errichteten.

Unterstützung bekamen sie vom damaligen Präsidenten. „Ich danke allen meinen Landsleuten, die den Grenzschutz unterstützen“, sagte Andrzej Duda, wie die Tagesschau berichtete.

Sicherheit mit Fragezeichen

Gleichzeitig verkompliziert der Ukraine-Krieg die Lage. Deutsche Patriot-Systeme unterstützen Polens Luftraum, die NATO stärkt den Osten, und dennoch bleiben Irritationen.

Premierminister Donald Tusk betonte laut Euronews, Entscheidungen über Europas Sicherheit dürften nicht über Polen hinweg getroffen werden. Kanzler Friedrich Merz mahnte Zusammenhalt an.

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Offene Rechnungen

Die Frage der historischen Verantwortung bleibt der empfindlichste Punkt zwischen beiden Ländern. Wie n-tv berichtete, drängte Polens Regierungschef Donald Tusk in Berlin auf eine rasche Unterstützung für die letzten Überlebenden der NS-Besatzung.

„Beeilt euch, wenn ihr wirklich diese Geste machen wollt“, sagte er – mit Blick darauf, dass seit dem ursprünglichen deutschen Versprechen bereits tausende Betroffene verstorben sind.

Der politische Kontext verschärft den Druck. Präsident Karol Nawrocki hatte zuvor erneut Reparationsforderungen erhoben, die Berlin rechtlich für abgeschlossen hält. Zugleich verwies die DW darauf, dass in Polen viele eine humanitäre Geste als unverzichtbar ansehen, damit die Beziehungen wieder Vertrauen gewinnen können.

Kanzler Friedrich Merz blieb bei dem Treffen zurückhaltend. Er nannte keine Summen, betonte aber Deutschlands historische Verantwortung. Zwischen juristisch abgeschlossenen Fragen und polnischen Erwartungen bleibt damit eine Lücke bestehen.

Quellen: Deutsches Polen-Institut, DW, Euronews, MSWiA, n-tv, Tagesschau, ZDF

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