Ungarns Wahlkampf wird zunehmend dort geführt, wo staatliche Kontrolle bislang an Grenzen stößt. Vor allem jüngere Wähler orientieren sich neu, weg von klassischen Medien, hin zu digitalen Formaten. Diese Verschiebung verändert nicht nur politische Kommunikation, sondern auch Machtverhältnisse.
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Nach Daten des Meinungsforschungsinstituts Median, über die The Straits Times unter Verweis auf Reuters berichtet, unterstützten zuletzt 58 Prozent der unter 40-Jährigen die Oppositionspartei Tisza von Péter Magyar. Viktor Orbáns Fidesz erreichte in dieser Altersgruppe nur etwa 17 Prozent.
Viele Jüngere konsumieren politische Inhalte fast ausschließlich online. Videos, Livestreams und Podcasts ersetzen für sie Zeitungen oder Nachrichtensendungen.
Digitale Logiken
Eine zentrale Rolle spielt YouTube. Inhalte werden dort nicht redaktionell ausgewählt, sondern durch Algorithmen verbreitet, die Reichweite und Interaktion belohnen.
Nach Angaben der ungarischen Medienaufsicht hat sich der wöchentliche Podcast-Konsum in wenigen Jahren vervielfacht. Fast alle Nutzer:innen greifen dabei über Videoformate auf YouTube zu, wie Reuters zusammenfasst.
Diese Struktur schafft neue Freiräume, macht Produzenten zugleich aber abhängig von Plattformregeln und deren Änderungen.
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Medien als Erklärung
Erst vor diesem Hintergrund wird die Lage der klassischen Medien erklärbar. Reuters berichtet, dass seit Orbáns Amtsantritt 2010 zahlreiche Redaktionen geschlossen oder von regierungsnahen Eigentümern übernommen wurden.
Zusätzlichen Druck brachten zuletzt der Wegfall bestimmter US-Förderungen und die Schließung von Radio Free Europe/Radio Liberty in Ungarn.
Kritische Stimmen finden außerhalb des Internets in Ungarn kaum noch öffentliche Sichtbarkeit.
Politik reagiert
Die Regierung versucht, den digitalen Rückstand aufzuholen. Orbán gab in diesem Jahr mehrere Interviews bei konservativen Podcasts und YouTube-Formaten, um neue Zielgruppen zu erreichen, wie Reuters berichtet.
Gleichzeitig ließ er erkennen, dass er selbst Videoplattformen kaum nutzt. Medienanalysten sehen darin ein Zeichen der Distanz zwischen politischer Führung und digital geprägter Öffentlichkeit.
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Ob diese Strategie ausreicht, bleibt offen.
Ein Fallbeispiel
Zu den bekanntesten unabhängigen Stimmen zählt der YouTuber Ádám Nagy. Sein Format Jólvanezígy erreicht Hunderttausende Abonnenten und finanziert sich über Klickerlöse, Spenden und Fanartikel.
„Viele unserer Zuschauer haben mir gesagt, dass sie sich früher nicht für öffentliche Angelegenheiten interessiert haben, dass sie aber in diesem leicht zugänglichen Format nun gerne Politik verfolgen“, sagte Nagy Reuters zufolge. Ein Interview mit Oppositionspolitiker Péter Magyar erzielte mehr als eine Million Aufrufe.
Solche Reichweiten zeigen, wie stark sich politische Debatten in Ungarn ins Netz verlagert haben.
Quellen: Reuters, The Straits Times