Die Europäische Union ist auf Einigkeit angewiesen, besonders in Krisenzeiten. Doch genau diese Geschlossenheit wird zunehmend auf die Probe gestellt. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán spielt dabei eine zentrale Rolle.
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Mehrere aktuelle Konflikte zeigen, wie sehr nationale Interessen und europäische Ziele auseinanderdriften können. Die Frage ist längst nicht mehr nur politisch, sondern institutionell.
Gemeinsame Linie brüchig
Nach Angaben von n-tv scheiterte zuletzt eine gemeinsame EU-Erklärung zur Erweiterungspolitik am Widerstand Ungarns. Damit blieb eine Position aus, die eigentlich Kandidatenländern von der Ukraine bis zum Westbalkan Orientierung geben sollte.
Mehrere Mitgliedstaaten warnten, dass die Blockade ein falsches Signal sende. Staaten, die sich bewusst an Europa binden wollen, erhielten dadurch keine klare Rückendeckung aus Brüssel.
Der deutsche Europa-Staatsminister Gunther Krichbaum bewertete das Vorgehen der ungarischen Regierung als „zunehmend destruktiv“. Die Kritik zielte weniger auf den Inhalt als auf die Wirkung: Entscheidungsprozesse geraten ins Stocken.
Außenpolitik ohne Abstimmung
Auch auf internationaler Bühne verfolgt Orbán einen eigenständigen Kurs. Wie ZDF berichtete, erneuerte er bei einem Besuch in Moskau seine Einladung zu einem möglichen Gipfel zwischen Putin und Trump in Budapest.
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Bundeskanzler Friedrich Merz machte deutlich, dass solche Initiativen nicht abgestimmt seien. Er erinnerte daran, dass frühere Gespräche keine Entspannung gebracht hätten, und sagte: „Er fährt ohne europäisches Mandat und er fährt ohne eine Abstimmung mit uns.“
In der EU sorgte vor allem der Mangel an Information im Vorfeld für Unmut. Der Eindruck: Ungarn agiert außenpolitisch losgelöst vom gemeinsamen Rahmen.
Innenpolitik als Motor
Orbán rechtfertigt seine Haltung regelmäßig mit innenpolitischen Argumenten. Im Wahlkampf warnt er vor wirtschaftlichen Risiken, sollte die Ukraine der EU beitreten, und verweist auf finanzielle Belastungen, wie n-tv berichtet.
Gleichzeitig kursieren immer wieder Spekulationen über einen möglichen EU-Austritt Ungarns. Ein Faktencheck der Augsburger Allgemeinen stellt jedoch klar, dass es dafür keine belastbaren Hinweise gibt.
Die Regierung in Budapest hat einen solchen Schritt nicht angekündigt. Stattdessen wolle Ungarn die EU von innen heraus „transformieren“. Außerdem wäre ein Austritt wirtschaftlich nachteilig. Ein Großteil der ungarischen Exporte geht in den EU-Binnenmarkt.
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Grenzen der Toleranz
Die EU-Kommission vermeidet offene Eskalation und hält an ihrer Linie gegenüber Moskau fest. Doch jeder weitere Alleingang verschärft die Frage, wie lange die Union diese Sonderrolle akzeptieren kann.
Für viele Partner geht es nicht um einzelne Vetos oder Reisen. Es geht um das Fundament gemeinsamer Entscheidungsfindung.
Quellen: Augsburger Allgemeine, n-tv, ZDF