In Doha diskutieren Diplomaten über Krisen, in Washington erklärt eine neue Sicherheitsstrategie Europa zum Problemfall. Während in Konferenzsälen noch beschwichtigt wird, haben viele Regierungen das Gefühl, dass ein vertrauter Schutzschirm dünner wird.
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EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas bemühte sich am Rande des Doha Forums um Beruhigung. „Die USA sind immer noch unser größter Verbündeter“, sagte sie nach Angaben von ORF und räumte zugleich ein, Europa habe seine eigene Stärke etwa gegenüber Russland unterschätzt.
Parallel dazu legte das Weiße Haus laut Kronen Zeitung die neue Nationale Sicherheitsstrategie vor. Darin klagt die Trump-Regierung über „Zensur der freien Meinungsäußerung und die Unterdrückung der politischen Opposition“ in Europa und warnt vor einer „zivilisatorischen Auslöschung“.
Die EU wird als Störfaktor beschrieben, während die US-Regierung offen signalisiert, sie wolle „Widerstand gegen den aktuellen Kurs Europas innerhalb der europäischen Nationen kultivieren“ und den Einfluss „patriotischer Parteien“ fördern, wie Tagesschau berichtet.
Amerikas neuer kurs
Im Kern verabschiedet sich Washington damit von der Rolle als verlässlicher Garant europäischer Sicherheit. Die Strategie setzt strikt auf „America First“, weniger Truppenpräsenz in Europa und eine klare Botschaft: Wer seine Verteidigungsausgaben nicht erhöht, soll laut Pentagon-Chef Pete Hegseth mit Konsequenzen rechnen, berichtet ZDF.
Zugleich werden laut Tagesschau Autokratien wie Russland im Papier eher als Partner für „strategische Stabilität“ behandelt, während europäische Demokratien als unsichere Verbündete erscheinen. Kritiker in Europa sehen darin eine Einladung an Moskau, den Einfluss auf dem Kontinent auszuweiten.
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Migrationsforscher Gerald Knaus sprach, wie ZDF berichtet, von einem Strategiepapier, das identitäre Mythen über angeblichen Identitätsverlust durch Migration aufgreife. Er warnt, die USA nähmen sich ausdrücklich vor, in europäischen Demokratien Kräfte zu stärken, die Trumps Linie teilen. „Wir bräuchten sie, aber die USA verabschieden sich“, sagte Knaus.
Antwort aus Europa
CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen nennt die neue Linie laut Kronen Zeitung eine „zweite Zeitenwende“ und erklärt: „Die USA stehen nicht mehr an der Seite der Europäer.“ Für ihn ist dies ein Schicksalsmoment, in dem sich entscheidet, ob die EU ihre liberale Ordnung behaupten kann.
In Berlin und Brüssel wächst deshalb der Ruf nach strategischer Eigenständigkeit. Grünen-Politikerinnen wie Franziska Brantner fordern nach ZDF, Europa müsse massiv in eigene Souveränität investieren, militärisch wie politisch.
Für die EU bedeutet das: weniger Verlass auf Washington, mehr Pflicht zur Selbstbehauptung. Nur wenn Europa seine Verteidigungsfähigkeit und demokratischen Institutionen stärkt, so die Warnung von Experten wie Knaus, kann der Kontinent verhindern, zwischen Washington, Moskau und populistischen Bewegungen im Innern aufgerieben zu werden.
Quellen: Kronen Zeitung, ORF, Tagesschau, ZDF