Für viele russische Kinder endete Anfang Dezember über Nacht ein fester Teil ihres Alltags. Eine digitale Spielwelt verschwand, ersetzt durch Frust, Tränen und erstmals auch Protest. Das Verbot der Spieleplattform Roblox entwickelt sich damit zu mehr als nur einer technischen Sperre.
Gerade lesen andere
Berichte von Reuters und ZDF zeigen, wie eine Entscheidung der Behörden eine Debatte über Zensur, Kinderschutz und den Umgang des Staates mit der jungen Generation ausgelöst hat.
Kinder im Fokus
Roblox zählt weltweit über 150 Millionen Nutzer:innen, rund sieben Millionen davon lebten laut ZDF in Russland. Die Plattform erlaubt es, eigene virtuelle Welten zu bauen, dort zu spielen und zu chatten. Besonders Kinder zwischen acht und 14 Jahren nutzen das Angebot täglich.
Nach der Sperre durch die russische Internetaufsicht Roskomnadzor verbreiten sich in sozialen Netzwerken Videos von weinenden Kindern. Viele verstehen nicht, warum ihr Lieblingsspiel plötzlich nicht mehr funktioniert, berichtet ZDF.
Die Behörde begründet den Schritt mit dem Schutz Minderjähriger. Roblox sei voller Inhalte, die die „spirituelle und moralische Entwicklung von Kindern“ gefährden könnten, zitiert Reuters aus einer Erklärung von Roskomnadzor vom 3. Dezember.
Seltene Straßenproteste
Ungewöhnlich offen zeigte sich der Unmut in Tomsk, 2.900 km östlich von Moskau. Dort protestierten laut Reuters mehrere Dutzend Menschen in einem Park gegen das Verbot. Auf handgemalten Plakaten stand unter anderem „Hands off Roblox“ und „Roblox ist das Opfer eines digitalen Eisernen Vorhangs“.
Lesen Sie auch
Fotos zeigen etwa 25 Menschen, die trotz Schnees im Kreis standen. Öffentliche Proteste sind in Russland selten, besonders zu Fragen der Internetpolitik. Gerade deshalb erhielt die Aktion überregionale Aufmerksamkeit.
Russland schränkt seit Jahren den Zugang zu westlichen Plattformen ein. Facebook, Instagram, WhatsApp und YouTube sind blockiert oder stark eingeschränkt, wie Reuters berichtet.
Argumente der Behörden
Eltern und Lehrkräfte äußern gegenüber Reuters Sorgen, dass Kinder auf Roblox mit sexuellen Inhalten oder Erwachsenen in Kontakt kommen könnten. Auch andere Länder wie Irak und die Türkei haben die Plattform aus ähnlichen Gründen verboten.
Roblox selbst erklärte bei Einführung der russischen Sperre, man habe „eine tiefgehende Verpflichtung zur Sicherheit“ und verfüge über „strenge eingebaute Schutzmechanismen“. Eine aktuelle Stellungnahme blieb laut Reuters aus.
Das ZDF berichtet zudem, russische Behörden verwiesen auf Gefahren durch Extremismus und sogenannte „LGBTQ-Propaganda“. Kritiker halten diese Argumentation für Teil einer breiteren Kultur- und Informationskontrolle.
Lesen Sie auch
Protest im Netz
Während Straßenproteste die Ausnahme bleiben, verlagert sich der Widerstand ins Digitale. Laut ZDF kursieren KI-generierte Videos, die Kinder bei Demonstrationen zeigen.
Der russische Streamer im Exil Alexander Pluschew sagte dem ZDF: „Es ist klar, dass sie nicht auf die Straße gehen werden, um zu protestieren. Aber sie organisieren Online-Proteste.“
Viele Nutzer:innen umgehen die Sperre mit technischen Mitteln. Pluschew ergänzte: „Sie machen das wie wir Erwachsenen. Sie benutzen einfach VPN.“
Langfristig könnte das Verbot vor allem eines bewirken: eine frühe politische Prägung einer Generation, die erstmals direkt mit staatlichen Grenzen im Netz konfrontiert wird.
Quellen: Reuters, ZDF