Was antike griechische Musik wirklich ausmachte – neue Studie liefert Einblicke.
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Eine neue Analyse überlieferter antiker Kompositionen offenbart, wie die Griechen und Römer ihre Instrumente stimmten.
Haben Sie sich jemals gefragt, wie Musik vor Tausenden von Jahren während der Blütezeit der griechischen und römischen Reiche geklungen haben könnte?
Dank einer bahnbrechenden neuen Studie des Architekturprofessors Dan C. Baciu haben wir nun ein klareres – und überraschend mathematisches – Verständnis davon, wie antike Musik komponiert, gestimmt und im klassischen Altertum aufgeführt wurde.
Durch die Analyse aller 61 überlieferten Musikstücke entdeckte Baciu, dass die Musiker jener Zeit zwei unterschiedliche Tonsysteme verwendeten – je nachdem, welche Art von Musik sie spielten.
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Diese Wahl der Stimmung war kein Zufall – sie spiegelte tiefere kulturelle und philosophische Vorstellungen von Ordnung, Chaos und den Göttern selbst wider.
Zwei musikalische Welten, zwei Stimmungen
Die alten Griechen und Römer machten nicht einfach nur Musik.
Laut dem Magazin History betrachteten sie Musik als Ausdruck des kosmischen Gleichgewichts.
Bacius mathematisches Modell zeigt, dass instrumentale Kompositionen in einer präzisen, reinen Weise gestimmt wurden, während Gesangs- und Blasmusik gezielt Unvollkommenheiten zuließ, um Ausdrucksstärke zu gewinnen.
Diese Unterscheidung war laut Baciu kein Zufall.
Instrumentalmusik – typischerweise gespielt auf Saiteninstrumenten wie der Lyra – wurde mit nahezu perfekter harmonischer Präzision gestimmt. Dissonanzen wurden bewusst vermieden, um einen makellosen, ordentlichen, fast göttlichen Klang zu erzeugen.
Im Gegensatz dazu ließ die Gesangs- und Blasmusik – oft gespielt mit dem Aulos, einer Doppelklarinette – natürliche tonale Unreinheiten zu. Diese subtilen Abweichungen verliehen den Melodien emotionale Tiefe und eine ausgeprägt menschliche Ausdruckskraft.
„In Stücken, die für Instrumente gedacht waren, vermieden Komponisten die Intervalle, die ‚falsch‘ geklungen hätten. Aber in Musik mit Gesang oder Flöten wurden diese kleinen Unvollkommenheiten bewusst als Teil der Darbietung angenommen“, erklärt Baciu in seiner Studie.
Musik als Mythologie
Diese musikalische Dualität war kein Zufall. Baciu bringt sie mit der antiken griechischen Kosmologie in Verbindung, in der das Universum von zwei gegensätzlichen Kräften regiert wurde:
- dem Rationalen, Ordentlichen und Harmonischen – verkörpert durch Apollon, den Gott der Lyra, der Vernunft und des Lichts.
- dem Chaotischen, Instinktiven und Emotionalen – verkörpert durch Dionysos, den Gott des Weins, der Ekstase und der Ausgelassenheit.
In dieser Weltanschauung entsprach die auf der Lyra gespielte Instrumentalmusik der apollinischen Klarheit, während ausdrucksstarke Gesangs- oder Flötenstücke die dionysische Leidenschaft widerspiegelten.
Wie antike Musik tatsächlich klang
Durch diese auf Stimmungen basierende Analyse kommen Wissenschaftler und Musiker der authentischen Aufführung antiker griechischer und römischer Musik näher.
Lyra-Musik hätte sauber, resonant und harmonisch perfekt geklungen – als Widerspiegelung himmlischer Ideale.
Lieder mit Aulos-Begleitung hingegen hätten sich roher, dramatischer und emotional abwechslungsreicher angefühlt – voller Bewegung und Leben.
Diese Unterschiede waren keine Fehler – sie waren Teil der Kunst und darauf ausgelegt, beim Hörer unterschiedliche emotionale und spirituelle Reaktionen hervorzurufen.