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Islands violette Zerreißprobe

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Auf Island ringen Forschende, Behörden und Teile der Bevölkerung um den Umgang mit einer Pflanze, die sich tief in die Landschaft eingeschrieben hat. Während Bilder blühender Lupinenfelder weltweit Begeisterung auslösen, wächst zugleich die Sorge um die Zukunft lokaler Ökosysteme.

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Laut The Guardian diskutieren Fachbehörden inzwischen, wie sich begrenzte Ressourcen zwischen Schutzgebieten, Monitoring und regionaler Eindämmung aufteilen lassen. Eine landesweite Entfernung der Lupine gilt Watson zufolge seit Langem als unrealistisch, weshalb sich das politische Ringen eher um Priorisierung als um vollständige Kontrolle dreht.

Hinzu kommt ein Hintergrund, der in der öffentlichen Debatte selten vorkommt: Islands forstpolitische Geschichte ist geprägt von früher Übernutzung, massiver Bodenerosion und wiederholten Aufforstungsversuchen – ein Kontext, der die Bereitschaft erklärt, in der Vergangenheit experimentelle Lösungen wie die Lupine zu akzeptieren.

Mehrere Forschende an isländischen Universitäten warnen heute grundsätzlich, dass invasive Pflanzen in subarktischen Regionen häufig unterschätzte Kaskadeneffekte auslösen, von Bodenveränderungen bis zu veränderten Hangstabilitäten. Diese Perspektive ergänzt die Kritik, die in The Guardian vor allem durch Pawel Wasowicz, Direktor für Botanik am Naturwissenschaftlichen Institut, und Pflanzenökologin Guðrún Óskarsdóttir, vertreten wurde.

Begehrte Sommerkulisse

Trotz der politischen Spannungen hat die Pflanze ihr eigenes Sommernarrativ geschaffen. Watson berichtet, dass Lupinenfelder längst zum visuellen Markenzeichen der Hauptreisezeit geworden sind, genutzt von Tourismusanbietern und Social-Media-Kampagnen.

Fotograf Leszek Nowakowski sagte The Guardian, viele Reisende planten ihre Aufenthalte inzwischen gezielt zur Blütezeit. Die Pflanze sei für viele Besucherinnen und Besucher genauso ikonisch wie Wasserfälle oder Gletscher.

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So entsteht ein ungewöhnlicher Zielkonflikt: Die Pflanze steigert die touristische Strahlkraft des Landes – und unterminiert gleichzeitig laut zahlreichen Forschenden jene ökologischen Grundlagen, die die Besucher anziehen.

Wissenschaftliche Warnungen

Nach Angaben von The Guardian warnen Expert:innen wie Wasowicz, dass die Dynamik der Ausbreitung unterschätzt worden sei, weil in den 1940er Jahren weder ökologische Risikomodelle noch ein Verständnis klimatischer Veränderungen existierten.

Auch Óskarsdóttir kritisiert laut The Guardian die vermeintliche Wirksamkeit der Maßnahme. „Land mit Lupinen wiederzubepflanzen ist, als würde man Zahnschmerzen mit einem Stein behandeln“, sagt sie.

Lupinen bilden dichte Bestände, die in nährstoffarmen Böden deutliche Verschiebungen in der Vegetation auslösen. In Teilen Südislands wurde laut mehreren wissenschaftlichen Untersuchungen zudem beobachtet, dass die Bodenstruktur unter Lupinen schwächer wird, was bei starken Niederschlägen Risikoereignisse begünstigen kann.

Wie alles begann

Den historischen Ausgangspunkt beschreibt The Guardian anhand des Forstexperiments nach dem Zweiten Weltkrieg, als Islands Chefförster Hákon Bjarnason die Art aus Alaska einführte, um Erosion einzudämmen. Die Hoffnung: belastbarere Böden und langfristig bessere Chancen für Wiederbewaldung.

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Nach Angaben des britischen Mediums bedeckte die Lupine 2017 rund 0,3 % der Insel. Für 2027 rechnen Forschende demnach mit einer Verdreifachung, langfristig sogar mit einer Dominanz in deutlich größeren Arealen.

Die politische Kernfrage lautet daher: Wie viel Wandel lässt sich akzeptieren – und welche Regionen müssen unbedingt geschützt werden?

Quellen: The Guardian, Watson