Ein weiteres europäisches Land mit Atomwaffen? Unwahrscheinlich – mit einer Ausnahme

Amalie L.

1 Woche vor

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24/03/2025
Welt
Foto: Shutterstock
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Angesichts wachsender Unsicherheiten über die sicherheitspolitischen Zusagen der USA wird in Europa erneut die Idee unabhängiger nuklearer Abschreckung ins Spiel gebracht.

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Die Möglichkeit, dass ein europäisches Land eigenständig Atomwaffen entwickelt, gewinnt angesichts geopolitischer Instabilität und Zweifeln an künftigen US-Garantien wieder an Bedeutung.

Der polnische Premierminister Donald Tusk deutete dies kürzlich an, als er laut HotNews forderte, Polen müsse „über die fortschrittlichsten Fähigkeiten verfügen, einschließlich nuklearer und unkonventioneller Waffen“.

Technologische und politische Hürden

Laut dem Nuklearpolitik-Forscher Fabian Rene Hoffmann fehlt es den meisten europäischen Staaten sowohl an der nötigen Infrastruktur als auch am politischen Willen, Atomwaffen zu entwickeln.

Zivile Atomprogramme in Ländern wie Schweden und Finnland basieren auf Leichtwasserreaktoren, die sich nicht zur Produktion von waffenfähigem Plutonium eignen. Zudem verfügen diese Länder über keine chemischen Wiederaufbereitungsanlagen, die zur Abtrennung waffenfähiger Isotope erforderlich wären.

Deutschland bildet eine Ausnahme – wenn auch eine begrenzte. Zwar hat es den Großteil seiner nuklearen Infrastruktur zurückgebaut, besitzt aber noch immer ein beträchtliches Lager an hochangereichertem Uran zu Forschungszwecken. Theoretisch könnte dieses Material für ein kleines Arsenal von bis zu 15 Sprengköpfen umgewidmet werden, so Hoffmann. Für eine glaubhafte Abschreckung wäre dies jedoch bei weitem nicht ausreichend.

Frankreich und die Zukunft der europäischen Abschreckung

Frankreichs Atomarsenal ist unabhängig von der NATO und gilt als vielseitiger als das U-Boot-gestützte britische Abschreckungssystem, das zum Teil auf US-Technologie basiert.

Es gibt Überlegungen, französische Atomsprengköpfe in Osteuropa zu stationieren. Hoffmann warnt jedoch, dass dies neue Infrastruktur erfordern und strategisch nur dann einen Vorteil bringen würde, wenn die Waffen in unmittelbarer Nähe zur Frontlinie – etwa in Polen – platziert würden.

Verträge der Nach-Kalten-Kriegs-Ära, wie der Atomwaffensperrvertrag, wirken weiterhin nuklearer Aufrüstung entgegen. Ein europäischer Staat, der sich dennoch zur Waffenentwicklung entschlösse, würde mit Jahrzehnten etablierter Politik brechen.

Moderne Risiken und alte Lehren

Neue Technologien wie 3D-Druck und Künstliche Intelligenz erschweren die weltweiten Bemühungen zur Nichtverbreitung und könnten es entschlossenen Akteuren theoretisch erleichtern, traditionelle Kontrollen zu umgehen.

Das südafrikanische Atomprogramm während des Kalten Krieges – das mit vergleichsweise günstigen Anreicherungsmethoden erfolgreich war – wird häufig als Beleg dafür genannt, dass selbst streng überwachte Staaten Wege zur Proliferation finden können.

Trotzdem sind sich Experten einig: Eine geheime Entwicklung in Europa ist aufgrund der strengen Kontrollen durch die Internationale Atomenergie-Organisation nahezu ausgeschlossen. Jede zukünftige Entscheidung zur Verfolgung nuklearer Ambitionen würde höchstwahrscheinlich öffentlich – und politisch äußerst brisant – erfolgen.

Letztlich könnten die künftige Ausrichtung Washingtons und Moskaus darüber entscheiden, ob ein europäischer Staat den nuklearen Rubikon überschreitet.